Das Sängerfest

Eine Tradition

Das estnische Sängerfest findet seit 1869 statt. Damals versammelten sich 51 Männerchöre in Tartu. Seit der ersten estnischen Republik entwickelte sich ab 1923 - mit wenigen Abweichungen – die Tradition, das Sängerfest alle 5 Jahre stattfinden zu lassen, seit 1896 in Tallinn. Singen ist in Estland zentraler Bestandteil der gemeinsamen kulturellen Identität und war immer auch ein Symbol für den Wunsch des Volkes nach Freiheit und Unabhängigkeit.
Das spiegelt auch das Motto des 26. Sängerfestes 2014: „Aja puudutus – Puudutuse aeg“ oder „Berührt von der Zeit, Zeit der Berührung”. Ausgewählte Chöre tragen dabei u. a. Chorkompositionen von jedem der 25 vorhergehenden Sängerfeste vor.
Das Mottolied 2014, „Puudutus“ („Berührung“), ist eines der Stücke, die die ausländischen Chöre zur Qualifikation einsenden mussten.


Das Motto-Lied

Das Motto-Lied des diesjährigen Sängerfestes stammt von der estnischen Dichterin Kristiina Ehin. Es entstand, als sie einmal längere Zeit in Südamerika war und das geschah, was vielen Esten eigen ist: Sie bekam Heimweh. Und wenn in ihrem Ge-
dicht von „blau-schwarz-weißen Augen“ die Rede ist, dann bezieht sich das zum einen auf die Augen des nordischen Menschen, aber auch auf die Flagge Estlands. Nachdem sie das Gedicht geschrieben hatte, rief Ehin einen befreundeten Kompo-
nisten an, um ihm davon zu erzählen. Ihm fiel sofort eine Melodie dazu ein. Bei der Ideen-Ausschreibung zum diesjährigen Sängerfest wurde „Puudutus“ eingereicht und hat die Verantwortlichen so „berührt“, das es zum Motto-Lied 2014 wurde.

BERÜHRUNG (PUUDUTUS)
Text: Kristiina Ehin, Musik: Tônu Kôrvits

Berühre mich mit deinem feurigen Antlitz, das ist so schön und schmerzvoll zugleich,
mit dem blau-schwarz-weiß deiner Augen berühre mich noch, berühre mich, bitte.
Fühlst du, dass uns immer noch die allerhöchsten Himmelspfade offen stehen,
wenn wir zusammenkommen, wenn wir Muße finden, die Mühen beiseite lassen und
singen, singen.
Schlürfe aus meinem Leben mit durstigem Schluck die allerschönsten Zeiten.
Ich berühre dich mit meinem Frieden und meiner Freude so oft, wie du es brauchst.
Fühlst du, dass uns immer noch die allerhöchsten Himmelspfade offen stehen,
wenn wir zusammenkommen, wenn wir Muße finden, die Mühen beiseite lassen und
singen, singen.
Berühre mich mit deiner Güte und Kraft, dem einzigen, was Wert hat,
segne mit deiner zarten Hand mein raues Schicksal.
Fühlst du, dass uns immer noch die allerhöchsten Himmelspfade offen stehen,
wenn wir zusammenkommen, wenn wir Muße finden, die Mühen beiseite lassen und
singen, singen.
Berühre mich mit deinem feurigen Antlitz, das ist so schön und schmerzvoll zugleich,
mit dem blau-schwarz-weiß deiner Augen berühre mich noch, berühre mich, bitte.
Berühre noch, berühre noch, noch ..., berühre noch, ich bitte, bitte,
berühre mich, berühre mich ... (2012)

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Die eigene Insel (Oma Saar)

Text und Musik: Kait Tamra, Arr. Andres Lemba

Durch der Zeiten Ströme trägt mich das Leben,
das Schiff der Hoffnung
lässt mich treiben auf endlosem Weg
und suchen nach meiner eigenen Insel.
Was kann ein Menschenkind
wohl finden während der geborgten Tage,
auf dem Weg... ?
Finden kannst du alles auf deinem Weg,
aber finde erst die Seele in dir.
Wandere hier, suche das Schöne, suche das Gute.
Ich weiß, du bleibst immer ein Suchender.
Nur wenn ein Klang dich begleitet
auf deinem Weg,
bist du vielleicht auch ein Finder...
Das Land des Glücks
kann fern von hier sein.
Sein Name ist: meine Insel,
aber dort gilt: wenn es dich nicht gibt,
gibt es auch keine Insel.
Im Leben bleibst du immer ein Rufender, einer, der
das Unerreichbare ergreifen will.
Auch wenn du auf dem Weg weit vorankommen kannst,
der Stern ist immer noch weiter entfernt.
Und du siehst die Unermesslichkeit der Zeit vor dir,
aber du weißt nicht, dass die Zeit nur wegführt von hier,
weg aus dem gefundenen oder
nicht gefundenen Land...                      (1998/2012)

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So wird der große Tag in Tallinn

Die kurze Zeit in Estland will gut genutzt sein, darum beginnt der 3. Juli am späten Vormittag mit einer Stadt-Tour in Tallinn, Bus-Rundfahrt für den Überblick, Fußwege zur näheren Betrachtung der Altstadt. Doch auf die Touri-Tour folgt ein minutiös geplanter Choreinsatz. Denn am nächsten Tag, dem 4.Juli, ist Sonntagsarbeit angesagt: Proben-Zeiten für Aix Muusika. Ab 15 Uhr singen sie mit 8.000 Mitgliedern aus gemischten Chören. Ab 16 Uhr kommen 3.000 Frauen und 1.000 Männer mit ihren Chören dazu. Eine Stunde später weitere 5.000 Kinder und weitere 800 Jungen aus Knabenchören, die ebenfalls von der Jury angenommen sind.

Ab 18 Uhr ist erst einmal Pause für Aix Muusika, dann startet gegen 22 Uhr der zweite Durchlauf für die gemischten Chöre: 8.000 Stimmen proben ihre 4 Stücke für das Konzert am nächsten Tag. „Vadja pulmalaulud“, „Taandujad“, „Muusika“, und „Mul on ikka rõõmu kõigest“ sind dann im Programm. Aber angesichts der unglaublichen Menschenmassen auf dem Festgelände ist es mit dem Singen allein nicht getan. Wie kommt welcher Chor auf die Bühne, wer geht wo ab. Wo sind eigentlich die Bühneneingänge, wer steht wo? Dafür sind eigens Lotsen im Einsatz, die auch Irrläufer noch sicher an ihren Platz bringen. Ungewohnt für die Sängerinnen und Sänger von Aix Muusika: Gesungen wird nicht im eigenen Chor, sondern Sopran, Alt, Tenor und Bass stehen jeweils in einem Stimm-Block zusammen.

14 Monate Vorlauf und 8 Monate intensiver Vorbereitung finden ihre Krönung. Am 5. Juli ist der große Tag endlich da: Er beginnt um 14 Uhr mit dem Festzug und zur Eröffnung stehen 17.800 Sängerinnen und Sänger auf der Bühne für die ersten drei Stücke, die seit Monaten immer und immer wieder geprobt wurden. Sie umrahmen die offizielle Zeremonie. Die Luft ist voller Töne und Harmonien, Melancholie und Hoffnung. Aufbruchstimmung!

Am Tag darauf beginnt das 2. Konzert schon um 12 Uhr, aber die Aachener sind erst vier Stunden später im Einsatz. Spannung halten, nervöses Warten ist jetzt schon absehbar... Und dann werden diese wunderbaren Stücke aus 8.000 goldenen Kehlen zu hören sein: Muusika – Irgendwo muss es diesen Ur-Zusammenklang geben. Woher sonst wäre sie in die Brust des Menschen gekommen? Sie – die Musik?

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